Rückblick auf unsere Indien-Reise (08.03.2020 – 13.03.2020) „Von Braunschweig nach Pune und zurück“ (von Ralf Schmitt)
Anlässlich der Gründung eines Joint-Ventures in Pune haben wir (eine Kollegin, zwei Kollegen und ich) uns am 08. März 2020 von Braunschweig aus auf den Weg nach Pune (im Südwesten Indiens) gemacht.
Für meine drei Kollegen war es die erste Reise nach Indien und so wurde ich bereits im Vorfeld mit vielen Fragen gelöchert. Als erfahrener Indien-Reisender konnte ich sie aber nicht nur mit zahlreichen nützlichen Infos versorgen, sondern vor allem auch mit einigen Anekdoten zum Lachen und Staunen bringen.
Kurz vor Beginn unserer Reise kam dann plötzlich das Thema „Corona“ auf. Keiner wusste zu dem Zeitpunkt, was genau passieren wird und welche Auswirkungen es auf unseren Alltag bekommen könnte. Nach langen Überlegungen haben wir uns dennoch dafür entschieden, die Reise wie geplant durchzuführen.
Mit einem kurzen Zwischenstopp in Istanbul sollte es für uns nach Mumbai, der wichtigsten Hafenstadt Indiens, gehen. Bereits auf dem Flug nach Istanbul wurden wir mit einem Dokument konfrontiert, in welchem wir Angaben zu unserer Gesundheit machen sollten sowie eine Aufstellung von allem, was wir in den letzten zwei Wochen gemacht haben. Sogar einen Notfallkontakt mussten wir angeben.
In Istanbul angekommen wurde zunächst bei allen Fluggästen Fieber gemessen. Vereinzelt waren Personen mit Mund-Nase-Masken zu sehen – hauptsächlich aber Asiaten, von denen man das irgendwie schon gewohnt ist.
Noch in Istanbul erreichte mich dann die Nachricht, dass wir von Mumbai aus nicht weiter nach Pune fahren werden. „Es gibt einen ersten Corona-Verdachtsfall im Nebengebäude des Büros“, sagte mein indischer Geschäftspartner am Telefon mit finsterer Stimme. Unsere Stimmung war gedrückt. Was würde uns erwarten?
Angekommen am Flughafen Mumbai wurde auch hier wieder noch am Flughafen unsere Temperatur gemessen. Mittlerweile fanden wir dies beunruhigend. Nachdem wir unser Gepäck in die bestellten Taxis verladen hatten, ging es auf zu einer 3-stündigen Autofahrt zu dem Resort, welches wir nun ersatzweise gebucht hatten.
Wer noch nie in Indien mit dem Auto unterwegs war, kann höchstwahrscheinlich nicht nachvollziehen, warum meine Kollegen so geschwitzt haben. Denn eine Fahrt auf indischen Straßen ist immer eine Challenge. „Was bringt dich mehr zum Schwitzen: Die Hitze oder die Autofahrt?“, zog ich meinen Kollegen auf, dem der Schweiß auf der Stirn stand.
Bei einem kurzen Zwischenstopp in einer typisch indischen „Express Highway Station“ haben sie dann noch weitere Eindrücke in Sachen Klima, Luftfeuchtigkeit, Lärm, Staub und Gerüche gesammelt. Auch die „etwas anderen“ sanitären Einrichtungen wurden mit einer Mischung aus Staunen und Entsetzen zur Kenntnis genommen.
Endlich am Ziel angekommen konnten wir zum Glück sofort unsere Zimmer beziehen. Und obwohl uns die mittlerweile 21 Stunden Reise in den Knochen steckte, wollten wir noch am selben Abend unsere indischen Kollegen treffen, um sie bei einem gemeinsamen Abendessen näher kennenzulernen. Corona war dabei (noch) kein Thema. In einer entspannten Atmosphäre und mit viel leckerem Essen haben wir die bevorstehenden Workshop-Tage besprochen.
Viel Neues und reichlich Input brachten die kommenden Tage für alle Teilnehmer. Höhepunkt war „unser eigenes“ Holi-Festival, das wir am 10. März mit unseren neuen indischen Freunden gefeiert haben. Holi ist das Fest der Farben – es wird auch als das Fest der Liebe bezeichnet. Gefeiert wird es, weil Gott über den Teufel gesiegt hat und somit Freude und Liebe verbreitet werden soll. Wir alle hatten eine Menge Spaß und waren von oben bis unten bunt. Ein einmaliges und vor allem farbenfrohes Erlebnis!
Während unserem folgenden Abendessen wurde das Thema „Corona“ immer präsenter. Aufgrund der damaligen Informationspolitik erreichten uns jedoch immer nur sehr konträre Aussagen und so war es nicht wirklich möglich, sich ein eigenes Bild von der Situation zu machen.
Jeden Tag hörten wir neue Meldungen von weiteren hunderten Infizierten und Toten über die Medien. Doch wir haben unsere Workshops professionell durchgeführt und zu Ende gebracht. Am Tag unserer Abreise hatte sich die Situation in Deutschland bereits stark zugespitzt und wir hatten keine Idee davon, was uns bei der Einreise in Deutschland erwarten würde. Würden wir überhaupt wieder einreisen dürfen? Müssen wir dann in Quarantäne? Die Unsicherheit nagte an uns.
Der Rückflug am 13. März verlief dennoch sehr entspannt. Bereits im Transitbereich des Flughafens Istanbul waren fast nur noch Menschen mit Mund-Nase-Masken zu sehen. Es fühlte sich nun schon ziemlich skurril an.
Mit dem Wissen, dass uns ins Frankfurt nur eine Stunde bleibt, um vom Flugzeug zum ICE in Richtung Braunschweig zu kommen, habe ich meinen Kollegen geraten, sich direkt mit ihren Familien in Braunschweig in Verbindung zu setzen, da ich davon ausgegangen bin, dass wir den reservierten Zug durch die verschärften Einreisekontrollen, Corona-Maßnahmen etc. nicht rechtzeitig erreichen würden. Doch weit gefehlt!
Nach der pünktlichen Landung in Frankfurt, konnten wir sogar noch mehr als eine halbe Stunde gemütlich in einem Café am Fernbahnhof verbringen. Bei einem leckeren Kaffee, den wir alle nötig hatten, wunderten wir uns über die ausgebliebenden Kontrollen. Kein Fiebermessen, keine Befragung – niemanden hatte es interessiert, wo wir herkommen und wie unser Gesundheitszustand ist.
Und nur eine Woche später: kompletter „Lock Down“ in Deutschland. Corona war angekommen – wir auch, aber gesund und mit vielen Erinnerungen an eine aufregende Reise!