Authentisch. Jeder soll heute authentisch sein. Redner, Politiker, Führungspersonen. Aber was heißt eigentlich authentisch sein?

Authentisch zu sein bedeutet, sich so nach Außen zu verhalten, wie man sich im Inneren fühlt.

Ein Beispiel:

Nehmen wir an, dass ich mich heute früh über meine Kinder geärgert und ich mich daraufhin mit meinem Partner gestritten habe, der Schnupfen immer stärker auf meine Nebenhöhlen drückt und ich eigentlich gleich eine sehr wichtige Präsentation halten soll. Sollte ich mich unter diesen Umständen äußerlich so verhalten, wie ich mich innerlich fühle? Vermutlich nicht.
Dann aber wäre ich doch authentisch.

Was also ist die Lösung?

Probieren wir es doch mal mit Transparenz. 

Wenn wir transparent sind, geben wir unserem Gegenüber eine Art „Status-Report“. So wie es unsere technischen Geräte auch tun: „Es ist Fehler 328XZ aufgetreten. Die Leistung der Anwendung ist möglicherweise eingeschränkt. Möchten Sie dennoch fortfahren?“. Das ist das Tolle an Transparenz, denn unser Gegenüber kann:

  • mitentscheiden, ob er/sie trotz unserer „Einschränkung“ dennoch mit uns in diesem Zustand arbeiten möchte oder
  • etwas Zeit aufwenden, um dem „Fehler“ auf den Grund zu gehen und damit die Einschränkung, falls in seiner Macht, zu beheben oder
  • auch ohne genaues Wissen, was in Fehler 328XZ alles steckt, mit der Information etwas anfangen.

Aber warum geben wir ihm die Information, wenn er doch möglicherweise gar nichts tun kann, um den „Fehler“ zu beheben. Kommen wir auf das Beispiel zurück: Mein Gegenüber kann schlecht stellvertretend mit meinem Partner Versöhnung anstreben. Vielleicht lässt sich der Sachverhalt schneller klären, wenn wir ihn einfach mal umdrehen:

Einer unserer Kollegen kommt ins Büro. Offensichtlich ist etwas vorgefallen. Wir können nicht genau sagen was, aber unser Kollege scheint abwesend und sehr in Gedanken. Auf unser fröhliches „Guten Morgen!“ kommt nur ein kurzes „Ja.“, ohne dass er uns dabei ansieht. Oft setzt diese Situation in uns einen inneren Prozess in Gang, welcher in etwa so ablaufen könnte:

  1. Wir denken uns nichts dabei und machen einfach weiter. Der Kollege wird sich schon melden, wenn was ist.
  2. Wir überlegen, was dem Kollegen passiert sein könnte, warten aber ab. Er wird etwas sagen, wenn er soweit ist. 
  3. Wir überlegen, was wir getan haben, dass der Kollege uns so behandelt. Wir warten ab, ob er etwas sagt. 

Dieser innere Prozess kann unendlich weitergeführt werden. Besser wird es dadurch aber nicht. Und bereits ab dem zweiten Gedanken ist unser Arbeitsspeicher mit einem unnötigen Prozess belegt, den ich mit einer Nachfrage, wie z.B. „Gibt es etwas, was ich im Sinne des guten Zusammenseins wissen sollte?“, ganz einfach stoppen könnte. Doch warum tue ich das ganz oft nicht?

Ich müsste selbst transparent sein und würde dem Anderen gefühlt eine Schwäche zeigen. Und wer macht sich schon gerne vor anderen emotional „nackig“?

Unsere technischen Geräte haben damit kein Problem. Die befürchten auch nicht, dass wir sie wegwerfen oder schlechter behandeln, wenn sie uns Fehler 328XZ melden. Geräte zeigen uns Schwachstellen und geben uns die volle Entscheidungsfreiheit: “ Kümmere Dich um den Fehler, dann funktioniere ich wieder richtig. Du kannst es auch lassen. Ich bin Dir dann nicht böse, ich werde dennoch irgendwann schlechte Ergebnisse liefern. Du hast es in der Hand.“

Wir Menschen haben diese Offenheit oft nicht. Wir fürchten Konsequenzen aufgrund unserer Schwachstellen. Obwohl wir gerade dann, wenn wir sie transparent machen, meist geschützt sind. Wenn das Umfeld Bescheid weiß und entscheiden kann, ob entweder Zeit für die Schwachstelle aufgewendet wird oder man mit dem Wissen, dass es vielleicht nicht optimal läuft, weitermacht, nimmt uns das Druck, perfekt sein zu müssen. Wir entspannen uns und die Wahrscheinlichkeit, dass die „Fehlfunktion“ weiter auftritt, nimmt mit zunehmender gefühlter Sicherheit ab.

Also gerne beim nächsten Mal sagen „Ich habe heute Fehler XYZ. Es kann sein, dass ich eingeschränkt funktioniere. Du kannst zur Behebung des Fehlers (nicht) beitragen.“

Einfach ausprobieren. Gerne mit eigenen Worten.